In jedem zweiten Office läuft zurzeit irgendein alter Compi mit Al-Jazeera. Man will dabei sein, wie sich die Revolten bis nach China und Belgien 😉 ausbreiten. Irgendwie erinnerts an die alten 68er-Tage. Und zwar nicht an die Politicos, die nachträglich die Geschichte usurpiert haben, sondern an die Hippies, die das Klima prägten: Man ist vereint im Wissen, was man nicht will, kann aber nicht abschätzen, wohin die Reise geht. Die aktuelle Bewegung hat jedoch unmittelbare und weitreichende Bedeutung: Im Moment sind explodierende Öl- und Nahrungsmittelpreise daran, die Misere und damit das Revoltenpotenzial zu vergrössern. Chaos ist absehbar und ob daraus was Gescheites herauskommt ist fraglich. Neue repressive Regimes sind nur eine der Gefahren. Vor allem aber ist zu befürchten, dass die westlichen Länder nicht nur die Aufstände nicht unterstützen, sondern die Situation in bewährter Katastrophen-Kapitalismus-Manier (Naomi Klein) ausnutzen. Jede neue Regierung in den betroffenen Ländern wird finanzielle Hilfe aus dem Ausland brauchen. Diese werden sie aber voraussichtlich nur dann bekommen, wenn sie das nationale Tafelsilber (z.B. Öl in Libyen) an Weltbank und ausländische Investoren verscherbeln und damit das Leiden der Bevölkerung perpetuieren. Solange die westliche Ländern, die mit der Unterstützung der jetzt verjagten Despoten mitursächlich für das Elend sind, ihr Verhalten und vor allem ihren Ethos nicht ändern, wird ein fundamentaler Wechsel nicht möglich sein. Die Verhinderung von Massakern, die Gewährung von Freiheit beim Wiederaufbau und vor allem ein internationaler Schuldenerlass – bei allen Auswirkungen auf das angeknackte Finanzsystem -, sind Notwendigkeiten. Wenn die Revolten nicht nach Europa und USA „überschwappen“ und hier eine Verhaltensänderung – von uns – bewirken, stehen die Chancen schlecht.